Wie viel sind dir deine Daten wert?

Es gibt immer wieder diese eine Diskussion, die ich führe, wenn ich darüber rede, was ich eigentlich mache. Sie kann gut mit der Frage zusammen gefasst werden: Wie viel sind dir deine Daten wert?

Diese Frage, die für viele so ähnlich klingt wie “Worauf freust du dich am meisten bei deiner Steuererklärung?”, wird leider in den nächsten Jahren extrem wichtig werden. Darum habe ich es mir zu meiner persönlichen Mission gemacht, mindestens einmal pro WG-Party zwischen Beer Pong Tisch und Kloschlange zu fragen, welcher Messenger denn auf dem Handy sei. Hier diese (meist einseitig) kurze Unterhaltung nun einmal in Schrift festgehalten.

Was ist ein Mensch wert?

Die Zeichen der Zeit stehen für die Menschheit auf lange Sicht auf Arbeitslosigkeit. Wie in dem Roman “Player Piano”1 schon in den 1920ern aufgezeichnet wurde, wird es voraussichtlich irgendwann zu einem Punkt kommen, wo nur noch einige wenige Menschen die technologische Entwicklung am Laufen halten und der Rest auf der Reservebank Platz nehmen darf. In dem Buch wird es so gelöst, dass jedem Durchschnittsmenschen ein einheitlicher Lebensstandard zugewiesen wird und dafür entweder als Mechaniker (kein Gendern, das Buch ist aus den 20ern) oder Soldat seinen Tag verbringt. Beide Jobs dienen jedoch nur als Beschäftigungstherapie.

Ähnlich könnte es uns als Gesellschaft irgendwann auch ergehen. Die Angst der Industrialisierung, dass alle Jobs durch Maschinen ersetzt werden, könnte tatsächlich wahr werden. Die neuen Jobs, die heute noch entstehen, sind hoch spezialisiert und brauchen mindestens einen Masterabschluss. Währenddessen werden die alten immer weiter weg automatisiert. McDonalds hatte zum Beispiel schon vor Jahren gedroht2, dass bei einem Mindestlohn von 15 Dollar Roboter deutlich billiger wären. Auch wenn wir es uns nicht gerne eingestehen, für viele Jobs sind echte Menschen einfach gerade nur noch die günstigere Alternative.

Natürlich wird in vielen Bereichen der Mensch weiter geschätzt bleiben. Doch nicht alle werden in der Gastronomie, Friseur-Salon oder Werbeagentur arbeiten können. Es ist also fast unumgänglich, dass wir an einen Punkt kommen, an dem wir die stetig wachsende Menschenmenge ökonomisch einfach nicht mehr brauchen werden.

Doch dann muss man sich fragen, wie die Gesellschaft darauf reagieren soll. Die (falsche) Utopie aus Player Piano ist nach allem, was die soziale Marktwirtschaft gerade ausmacht, wenn nicht unmöglich, dann zumindest unwahrscheinlich. Die Fragen ist also eher, wie man sich weiter finanzieren kann, wenn man um immer weniger Arbeitsplätze kämpfen muss.

Penny for your Kaufkraft

Auftritt Jaron Lanier mit seiner Abhandlung “Wem gehört die Zukunft”3. Lanier argumentiert, dass das Wichtigste, was der Mensch in der Zukunft noch haben wird, seine Daten sind. Damit sind grundlegend erst mal alle digitalen Aufzeichnungen gemeint: Fotos, Texte, Sprachnachrichten, Likes und Videos. Alles, was wir momentan im Internet machen und kostenlos irgendwo hochladen, wird bis zu einem gewissen Grad vermarktet. Für Amazon, Google und Facebook zählt nicht ob, sondern wie sehr man die gesammelten Daten verkaufen kann, bis die Nutzer abspringen.

Das Verhältnis von Inhalt zu Werbung in meinem Instagram-Feed ist mittlerweile drei zu eins und Amazon lässt in seinen Suchen so viele Hersteller ihre Plätze erkaufen, dass es wirklich schwer wird, den echten ranghöchsten Artikel zu finden. Alles nur wegen Werbung. Selten sieht man dabei so eindeutig, wie viel man für ein Unternehmen wert ist, wie bei YouTube. Die Pro-Variante ohne Werbung kostet nämlich gerade 12 Euro pro Monat. In anderen Worten: Die eigene Vermarktbarkeit ist für YouTube etwa 144 Euro pro Jahr wert.

Lanier fragt nun völlig zurecht: Warum kriegen wir eigentlich davon nichts ab? Warum kann jeder unsere Daten verkaufen und glauben, dass ein mittelguter Bildfeed als Gegenleistung4 schon reicht? Unser Ziel sollte es sein, uns wertvoller zu machen und vor allem aktiv in die Wertschöpfungskette einzubringen, damit unsere Daten endlich aufhören, für alle gewinnbringend eingesetzt zu werden, außer für uns selber. Amazon hat allein im letzten Quartal 125 Milliarden Dollar mit Werbung gemacht5, während ihr Hauptgeschäft eigentlich mal das Verkaufen von Produkten war.

Weil ich es mir wert bin

Es gibt nun mehrere Taktiken, wie es von hier aus weiter gehen kann. Lanier baut in einer etwas wirren Argumentation eine Welt auf, in der alle für alles etwas bezahlen, aber auch bezahlt werden. Von dem Geld, dass Werbekunden ausgeben, um dir eine neue Hautcreme anzubieten, würdest du prozentual etwas ab bekommen. Auch wenn jemand dein Tweet in seine Webseite einbindet oder dein Kochrezept in dem Beitrag “Das perfekte Osterdinner” benutzt, sollte etwas bei dir ankommen von dem Geld, was der Webseitenbetreiber mit seinen Besuchern macht. Die genauen Details, wie das ganze passieren soll, sind noch nicht geklärt, aber erste Schritte werden gerade mit NFTs6 gemacht, die es erlauben, festzulegen, dass bei jedem Wiederverkauf aufs Neue die Künstler Prozente kassieren. Bis hier ein ausgereiftes System existiert, was nicht ein dreistündiges Einführungsvideo verlangt, wird es aber noch eine Weile dauern. Auf kürzere Sicht sollte es deshalb unsere Bestrebung sein, unsere Daten so wertvoll zu behandeln, wie sie eigentlich sind.

Die Rechnung geht so: Umso schwieriger es wird, an unsere Daten zu kommen, desto mehr sind Unternehmen bereit, dafür zu bezahlen bzw. Gegenleistungen zu bieten. Wenn wir als Kunden grundlegende Bedingungen der Internetökonomie nicht mehr akzeptieren, dann ändern sie sich auch. Der Wechsel von Millionen Nutzern zu anderen Diensten hat WhatsApp in blanke Panik gebracht. Das Nutzen von Adblockern hat zwar auch zu noch krasseren Techniken des Tracking geführt7, aber auch dazu, dass Unternehmen nun versuchen, mit dem Nutzer auszuhandeln, wie viel Werbung okay ist, anstatt ihn bis zum Ersticken damit zu zuwerfen.

Ein beliebter Spruch aus der Tech-Branche ist, dass man nur der Kunde ist, wenn man bezahlt, sonst ist man das Produkt. “Gute” Technologie könnte man also nur für Geld bekommen und tatsächlich scheint es eine Bewegung in diese Richtung zu geben. Ob nun Social Media Netzwerk8, Suchmaschine9 oder Bilderhoster10, für alles gibt es Alternativen, die einen ab einer bestimmten Nutzung Betrag X kosten und dafür nicht alle Daten verscherbeln. Das hat auch solche positiven Effekte, wie dass weniger Dark Pattern eingesetzt werden, die versuchen, den Nutzer wie einen schlechten Drogendealer so süchtig wie möglich zu machen11.

Die Realität ist aber auch, dass sich nicht jede Person leisten kann, 50 bis 60 Euro im Monat auszugeben, um alle Services, die man täglich benutzt, ohne Werbung zu bekommen. Eine Diskussion auf Augenhöhe (auch durch Regierungen), wie viele Daten zu viele sind, ist deshalb der wahrscheinlich brauchbarere Weg. Diese Diskussion wird auch ganz klassisch durch Nutzungsverhalten geführt. Wenn mehr Leute die Suchmaschinen DuckDuckGo oder Qwant besuchen würden, die deutlich weniger Daten zum Werbung Schalten benutzen, könnten diese auch mehr Ressourcen in ihre Leistungsfähigkeit stecken und damit für den gleichen Service weniger Eingriffe verlangen. Der Browser Brave beteiligt jetzt schon den Nutzer mit seiner eigenen Kryptowährung an den Einnahmen, die er einsammelt, wenn er dem Nutzer Werbung anzeigt. Wie würde wohl Chrome und damit Google aussehen, wenn der Browser Marktführer werden würde?

Eine persönliche Regulierung der eigenen Daten ist also auch ein Investment in die eigene Zukunft. Entweder, weil man Unternehmen zwingt, einen Teil des Profits an seine Nutzer weiterzugeben oder aber das Angebot grundlegend zu verbessern, weil sich Unternehmen einfach mehr anstrengen müssen, um den Datentausch einzugehen. Es ist mir bewusst, dass diese Vorstellung fast naiv klingt. Die Realität zeigt eher, dass, wenn Nutzerzahlen sinken, versucht wird, vor allem Mechanismen einzuführen, die alle menschlichen Triebe gleichzeitig ausnutzen und damit eigentlich ein schlechteres und nicht ein besseres Nutzererlebnis bieten. Wenn wir aber die genannten Bestrebungen mit einer gewissen Ausbildung kombinieren, die Menschen befähigt, sich im digitalen Raum eigenbestimmt zu bewegen, können wir diesen Mechanismen gezielt aus dem Weg gehen und nur die Vorteile nutzen, die beim Werben um unsere Gunst auf uns zukommen.

Fazit

Datenschützer sind meistens unangenehm, weil sie Spielverderber sind. All die tollen Seiten, die im Netz existieren, sollen auf einmal böse sein. Wie soll man da noch Katzenvideos anschauen? Fakt ist jedoch, dass gerade diese Menschen dafür Sorgen, dass irgendeine Art von Diskussion stattfindet und wir uns nicht einfach bedingungslos dem Profitinteresse von einzelnen Plattformen ergeben. Wir als Verbraucher können dies unterstützen, indem wir gezielt nach Alternativen suchen, die die Werbebranche in ihre Schranken weist. Es ist gar nicht so, dass ich hier gezielt gegen die Werbebranche gehe - ich habe einige meiner besten Jahre in ihr verschwendet - sondern nur gegen die Sammelwut, um Anzeigen auf die einzelne Person zuschneiden zu können. Als Verbraucher haben wir die Macht zu entscheiden, wie wir umworben werden wollen und in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass diese Macht sehr effektiv sein kann. Wenn auf einmal alle bei Signal sind, ist WhatsApp nicht mehr interessant und Signal bekommt mehr Geld durch Stiftungen, um die App weiter zu entwickeln.

Also ladet euch Adblocker runter, installiert Privatsphäre respektierende Messenger und zwingt die großen Techunternehmen zu handeln. Sonst werdet ihr gehandelt.